Der Vernagtferner
ein Gletscher im Klimawandel
Wie kalt war es am Vernagtferner im 19. Jahrhundert?
Betrachtet
man
die
historischen
Bilddokumente
der
gewaltigen
Eismassen
des
Vernagtferners
im
19.
Jahrhundert,
dann
stellt
sich
intuitiv
die
Frage
nach
den
damals
herrschenden
Witterungsbedingungen,
welche
eine
derartige
Akkumulation
ermöglichten.
Nicht
ganz
unbegründet
drängen
sich
hier
die
Vorstellungen
eiszeitlicher
Verhältnisse
in
der
Erdgeschichte
auf,
während
denen
die
Lufttemperatur
für
Zehntausende
von
Jahren
um
8°C
bis
10°C
unter
dem
heutigen
Niveau
lag.
Eine
aus
unter
den
gegenwärtigen
klimatischen
Bedingungen
ziemlich
unangenehme Vorstellung.
Eine
einfache
Antwort
auf
diese
Frage
gibt
es
allerdings
nicht,
denn
es
fehlen
in
dieser
Zeit
schlichtweg
verlässliche
instrumentelle
Messungen
vor
Ort.
Allerdings
gibt
es
diese
an
anderen
Orten,
z.B.
an
diversen
meteorologischen
Observatorien
rund
um
den
Alpenraum,
wie
etwa
das
auf
dem
des
Deutschen
Wetterdienstes
(
DWD
)
auf
dem
Hohenpeissenberg,
von
dem
eine
vollständige
Messreihe
der
Temperatur
seit
1781
vorliegt.
In
den
Alpen
oder
gar
in
Gipfelregionen
sind
die
Messreihen
dagegen
meist
kürzer,
in
der
Regel
decken
sie
nur das 20. Jahrhundert vollständig ab (z.B. Zugspitze, Säntis oder Sonnblick).
Der
Österreichische
Wetterdienst
ZAMG
erstellte
im
Rahmen
seines
Projektes
HistAlp
(
H
istorical
I
nstrumental
Climatological
S
urface
T
ime
Series
Of
The
Greater
Alp
ine
Region)
vor
ca.
10
Jahren
eine
flächendeckende
Analyse
der
bodennahen
Lufttemperatur
auf
der
Basis
der
verfügbaren
Messungen
für
beliebige
Orte
im
gesamten
Alpenraum
ab
1760.
In
diesem
Zusammenhang
wurde
auch
eine
Rekonstruktion
der
Monatsmittelwerte
für
den
2640
m
hoch
gelegenen
Standort
der
Klimastation
Vernagtbach
erstellt.
Neben
der
Lufttemperatur
wurden
dabei
auch die Schneemengen und die Sonnenscheindauer rekonstruiert.
Diese
Rekonstruktion
kann
als
erste
quantitative
Grundlage
zur
Klärung
der
Frage
nach
den
klimatischen
Voraussetzungen
in
historischen
Zeiten
herangezogen
werden.
Beides,
sowohl
die
Anomalie
der
Temperatur
im
Jahresmittel
als
auch
die
relativen
Schneemengen
sind
in
Relation
zum
Mittelwert
1961-1990
in
der
Abbildung
„Der
Vernagtferner
im
Klimawandel“
in
Orange
(Temperatur)
und
Hellgrau
(Schnee)
geglättet
über
9
Jahre
eingetragen.
Die
rekonstruierte
Temperaturkurve
passt
sich
sehr
gut
an
die
seit
1974
an
der
Klimastation
Vernagtbach
verfügbare
Messreihe
an,
so
dass
beide
Kurven
zusammen
als
eine
Einheit
betrachtet
werden
können.
Sehr
gut
ist
dokumentiert
ist
damit
der
auffallende,
mit
gut
2°K
vergleichsweise
extreme
Temperaturanstieg,
der
nach
1980
begann.
Davor
zeigt
die
Kurve
signifikante
Schwankungen
um
den
Verlauf
der
Globalen
Anomalie
(rot)
mit
einer
ca.
35
jährigen
Periodizität
zwischen
den
Maxima
und
Minima.
Auf
die
Natur
dieser
Schwankungen
kann
an
dieser
Stelle
(noch)
nicht
näher
eingegangen
werden,
es
sei
lediglich
erwähnt,
dass
die
Minima
mit
Ausnahme
des
Zeitraums
zwischen
1900
und
1920
mit
extrem
kalten
Wintern
um
die
Jahre
1890,
1943
(Kriegswinter),
1962
und
1983
korrespondieren. Zwischen 1900 und 1920 waren stattdessen ähnlich wie in den 1960er und 1970er Jahren die Sommer signifikant kühler.
In
Mitteleuropa
gab
es
zwar
durchaus
regionale
Unterschiede
der
Temperaturanomalie,
die
grobe
Entwicklung
mit
der
Zeit
ist
aber
überall
ähnlich.
Dies
zeigt
relativ
eindrücklich
der
Vergleich
der
Flächenmittelwerte
der
Anomalie
für
größere
Einheiten,
z.
B.
von
Bundesländern
der
Bundesrepublik
Deutschland
(Abbildung
2).
Generell
sind
die
Anomalien
im
Küstenbereich
etwas
kleiner
und
nehmen
dann
zum
inneren
des
Kontinents
zu.
Die
HistAlp-Rekonstruktion
folgt
im
Wesentlichen
den
vorgegebenen
großräumigen
Änderungen,
wobei
die
kälteren
Perioden
im
Bereich
der
Pegelstation
allgemein
etwas
strenger
ausfielen.
Die
Kurve
orientiert
sich
relativ
nahe
an
der
Messungen
an
der
Wetterwarte
der
Zugspitze,
was
durchaus
gerechtfertigt
sein
mag.
Die
Varianzspektren
beider
Messreihen
sind
im
niederfrequenten
Bereich
praktisch
deckungsgleich,
so
dass
sich
beide
Kurven
seit
1980
mit
hoher
Genauigkeit
(besser
als
5%
Abweichung)
mit
statistischen
Methoden
voneinander
ableiten
lassen.
In
die
Vergangenheit
dürfte
die
Unsicherheit
jedoch
zunehmen,
da
damals
die
lokalen
Bedingungen
einen
größeren
Einfluss
hatten.
Diesen
erkennt
man
z.B.
auch
daran,
dass
die
Erwärmung
an
der
Klimastation
Vernagtbach
in
den
letzten
Dekaden
signifikant stärker ausfiel als an der Zugspitze.
Abb.
2:
Vergleich
der
Flächenanomalien
der
Lufttemperatur
in
der
BRD
mit
denen
aus
den
Messungen
an
der
Zugspitze,
an
der
Klimastation
Vernagtbach
und
deren
Rekonstruktion
durch den Österreichischen Wetterdienst ZAMG
Abb.
3:
Linearer
Zusammenhang
zwischen
der
lokalen
Temperaturanomalie
nach
der
Rekonstruktion
des
Österreichischen
Wetterdienstes
ZAMG
und
der
Masse
des
Vernagtferners
Die
Rekonstruktion
der
lokalen
Temperatur
des
ZAMG
zeigt
ebenfalls
eine
lineare
Beziehung
der
Masse
des
Vernagtferners,
die
Korrelation
ist
jedoch
weniger
eng
als
zu
der
globalen
Temperaturanomalie.
Sie
passt
insbesondere
nicht
zu
den
Beobachtungen
der
Gletscherveränderungen zum Ende der „Kleinen Eiszeit“ um 1850.
Der
letzte
Zeitraum,
in
dem
es
nachgewiesenermaßen
zu
einem
Massenzunahme
des
Vernagtferners
kam,
war
zwischen
1960
und
1980.
Nach
der
Rekonstruktion
des
ZAMG
in
HistAlp
lag
damals
das
Jahresmittel
der
Temperatur
etwas
über
2°C
tiefer
als
heute.
Mit
Ausnahme
einer
signifikant
wärmeren
Periode
zwischen
1945
und
1955
lag
davor
die
mittlere
Temperatur
in
Deutschland
bis
in
das
19.
Jahrhundert
hinein
auf
einem
ähnlichen
Niveau
wie
während
der
kühleren
Phase
vor
1980.
In
den
Alpen
dagegen
war
die
Periode
zwischen
1900
und
1920
gut
0.5°C
kühler,
der
kälteste
Abschnitt
der
Rekonstruktion
im
19.
Jahrhundert
war
der
um
das
Jahr
1890.
Es
war
demnach
am
Vernagtferner im Jahresmittel lediglich um 3°C kälter war als heute.
Was
ein
zwei
bis
3
Grad
kälteres
Klima
bedeuten
könnte,
konnte
man
zuletzt
im
Frühjahr
2021
ungefähr
nachempfinden.
Auch
der
darauffolgende
Sommer
zeigte
zeitweise
kühlere
und
nassere
Phasen,
die
als
unangenehm
empfunden
wurden.
Dies
lag
aber
vor
allem
daran,
dass
man
sich
in
den
vergangenen
Jahren
bereits
an
das
wärmere
Klima
gewöhnt
hatte,
so
dass
bereits
ein
Temperaturniveau
im
Bereich
des
langjährigen
Mittels
als
zu
kühl
empfunden
wird.
Aber
auch
in
den
1970er
und
1980er
Jahren
gab
es
Situationen,
in
denen
man
bei
sonnigem
Wetter
ohne
warme
Jacke
bequem
über
den
Gletscher
laufen
konnte.
Auf
den
Bildern
aus
dem
19.
Jahrhundert
dagegen
trugen
die
Leute
auch
im
Sommer
dicke
Winterkleidung
gegen
die
Kälte.
Schneefälle
waren
auch
eher
Sommer
die
Regel,
während
Niederschläge heute bis in hohe Lagen überwiegend als Regen fallen.
Der
Massenzuwachs
des
Gletschers
zwischen
1960
und
1980
betrug
innerhalb
der
20
Jahre
nicht
einmal
20
Millionen
Tonnen.
Um
wieder
die
Masse
vor
dem
Vorstoß
um
1900
zu
erreichen,
hätten
die
damals
herrschenden
klimatischen
Bedingungen
noch
etwa
weitere
150
Jahre
andauern
müssen,
was
unter
den
Bedingungen
des
Klimawandels
sehr
unwahrscheinlich
wäre.
Ein
wesentliches
Problem
dabei
ist,
dass
der
Gletscher
potentiell
nur
im
Bereich
seiner
aktuellen
Fläche
an
Masse
zunehmen
kann.
Genauer
beschränkt
sich
diese
Akkumulationsfläche
auf
den
Bereich,
in
dem
die
Lufttemperatur
ganzjährig
unter
0°C
liegt.
Nur
dort
fällt
der
Niederschlag
als
Ganzes
in
Form
von
Schnee
und
schmilzt
auch
nicht
wieder
vollständig
ab.
Dieser
hängt
auch
von
der
Höhenlage
der
klimatischen
Frostgrenze
ab.
Momentan
liegt
diese
im
Jahresmittel
etwa
auf
der
Höhe
der
Pegelstation
Vernagtbach,
im
Sommer
gar
oberhalb
der
Gipfel.
In
den
letzten
Jahren
betrug
die
Fläche
des
Nährgebietes
des
Vernagtferners
mit
nennenswertem
Massengewinn
daher
gerade
noch
etwas
mehr
als
einen
Quadratkilometer.
Dieser
ist
im
Gegensatz
zu
den
Verlusten
im
4fach
so
großen
Zehrgebiet
der
sprichwörtliche
Tropfen
auf
den
heißen
Stein.
Um
1975
bei
einer
um
2.5°C
niedrigeren
Jahresmitteltemperatur
lag
die
Frostgrenze
um
fast
400
m
tiefer,
deshalb
umfasste
das
Nährgebiet
gut
80%
der
Gletscherfläche und konnte dort 2.35 Millionen Tonnen an Masse gewinnen.
Um
jedoch
im
19.
Jahrhundert
die
benötigte
Eismasse
für
die
beobachteten
Gletschervorstöße
in
der
Größenordnung
von
150
bis
300
Millionen
Tonnen
innerhalb
von
Zeiträumen
von
weniger
als
20
Jahre
anzusammeln,
macht
Massengewinne
von
mehr
als
dem
5
fachen
erforderlich.
Zwar
betrug
damals
die
Gletscherfläche
beinahe
das
Doppelte
als
1975,
sie
reichte
folglich
auch
gut
500
Höhenmeter
tiefer
in
das
Vernagttal.
Um
nennenswerte
Bereiche
davon
dem
Nährgebiet
zuzuordnen,
muss
die
Frostgrenze
entsprechend
tiefer
liegen,
was
einem
3° bis 4°C kälteren Klima als in den 1970ern entsprechen würde. Das ist der HistAlp-Rekonstruktion nicht zu entnehmen.
Diese
gilt
zwar
für
den
Ort
der
Klimastation
Vernagtbach
in
der
heutigen
Form,
berücksichtigt
aber
nicht,
dass
dieser
in
der
Vergangenheit
meist
bis
zu
über
100
m
dick
mit
Eis
bedeckt
war
und
deshalb
deutlich
höher
lag.
Bis
um
1930
befand
sich
die
Stelle
auf
der
Gletscheroberfläche,
wo
es
vor
allem
im
Sommer
deutlich
kälter
war.
Es
fehlte
somit
auch
die
Zufuhr
warmer
Luft
von
den
umliegenden
schneefreien
Geröllfeldern.
Zeitweise
war
die
Höhenlage
bis
zu
110
m
über
der
heutigen
und
dementsprechend
kälter.
Berücksichtigt
man
diese
Umstände
und
rekonstruiert
die
tatsächliche
Jahresmitteltemperatur
in
2
m
über
Grund
vor
Ort
auf
Basis
der
homogenisierten
Messreihe
des
Observatoriums
Hohenpeissenberg,
so
ergibt
sich
der
in
Abbildung
4
wiedergegebene
Verlauf
über
die
letzten
220
Jahre.
Dieser
Zeitraum
umfasst
insgesamt
vier
ausgeprägte
Vorstöße,
die
sich
alle
im
Anschluss
an
eine
10
bis
20
Jahre
dauernde
kältere
Periode
am
Beginn
einer
ausgeprägten
Erwärmungsphase
ereigneten.
Das
Ausmaß
der
Vorstöße
wurde
mit
den
steigenden
Temperaturen
immer
geringer,
in
den
letzten
40
Jahren
verlor
der
Gletscher
praktisch
seine
Zungen
vollständig
und
teilt
sich
gegenwärtig
in
kleinere
nicht
mehr
zusammenhängende Teilbereiche auf.
Der
Vergleich
mit
der
45
Jährigen
Messreihe
an
der
Pegelstation
zeigt
die
Genauigkeit
der
Rekonstruktion,
die
für
die
geglättete
Version
besser
als
+/-0.5°K
betragen
dürfte.
Die
Abweichung
zu
der
in
Grün
eingetragenen
Kurve
von
HistAlp
ist
besonders
im
19.
Jahrhundert
signifikant.
Da
die
Jahresmitteltemperatur
gegenwärtig
bei
0°C
liegt,
sind
die
Werte
praktisch
identisch
mit
den
Anomalien
zur
Gegenwart.
Folglich
war
es
um
die
Zeit
des
letzten
Maximalstandes
1848
im
Jahresmittel
am
Vernagtferner
zwischen
5°C
und
6°C
kälter
als
heute.
In
Extremjahren
wie
„das
Jahr
ohne
Sommer“
1816
war
es
gar
bis
zu
7°C
kälter.
Das
erinnert
definitiv
an
eiszeitliche
Verhältnisse.
Diese
„Kaltzeiten“
zeichnen
sich
gegenüber
heute
dadurch
aus,
dass
sie
über
Jahrzehnte
andauerten.
Gegen
Ende
der
„kleinen
Eiszeit“
zwischen
1850
und
1860
kommt
es
zu
einer
ausgeprägten
Erwärmung
zurück
zu
einem
Niveau
4°C
kälter
als
heute,
in
dessen
Folge
die
Gletscherzunge
aus
dem
Vernagtgraben
bis
unterhalb
der
Hintergrasln
zurückschmolz.
Von
1877
bis
1897
an
lies
eine
Serie
mit
kühleren
Jahren
die
Masse
im
Akkumulationsgebiet
wieder
anwachsen,
bis
eine
anschließende
wärmere
Phase
erneut
einen
Vorstoß
auslöste,
der
aber
während
einer
erneuten
kühleren
Phase
mit
Jahresmitteltemperaturen
um
-5°C
bis
1903
knapp
unterhalb
der
Zunge
des
Guslarferners
wieder
zum
Stillstand
kam.
Dabei
hatte
der
Vernagtferner
offensichtlich
„sein
Pulver
verschossen“,
so
dass
er
in
den
kühlen
Sommern
zwischen
1900
und
1920
noch
einmal
Masse
für
einen
Vorstoß
aufbauen
konnte,
wie
er
an
vielen
Orten
in
den
Alpen
beobachtet
wurde.
Am
Vernagtferner setzte stattdessen ein fast kontinuierlicher Erwärmungstrend ein, der bis heute unvermindert anhält.
Abb.
4:
Rekonstruktion
der
2m-Lufttemperatur
an
der
Position
der
Klimastation
Vernagtbach
auf
der
Basis
der
homogenisierten
Messreihe
am
Observatorium
Hohenpeissenberg
unter
Berücksichtigung
der
Dicke
des
Eises
und
des
Einflusses
des
Gletschers
im
Vergleich
zur
HistAlp-Rekonstruktion, welche den Einfluss des Gletschers nicht berücksichtigt.
Abb.
5:
Rekonstruktion
der
2m-Lufttemperatur
im
Sommer
an
der
Position
der
Klimastation
Vernagtbach analog zur nebenstehenden Abbildung 4.
Wie
bereits
erwähnt,
sind
für
den
Massenzuwachs
besonders
die
Verhältnisse
im
Sommer
von
Bedeutung,
und
da
insbesondere
die
Lage
der
Frostgrenze.
Abbildung
5
zeigt
daher
die
Temperatur-
entwicklung
an
der
Position
der
Klimastation
Vernagtbach
in
den
Sommermonaten
Juni,
Juli
und
August.
Während
gegenwärtig
die
Temperatur
an
der
Klimastation
Vernagtbach
über
7°C
beträgt,
war
sie
dort
vor
1845
nahe
dem
Gefrierpunkt.
Damit
konnte
der
Gletscher
jährlich
bis
zu
12
Millionen
Tonnen
Eis
gewinnen.
Dies
entspricht
den
weiter
oben
genannten
Anforderungen.
Ab
1860
lag
die
Frostgrenze
im
Sommer
bei
ca.
3000
m,
wodurch
die
Akkumulationsbeträge
deutlich
reduziert
wurden.
Damit
gehörte
ein
Vorstoß
der
Gletscherzunge
bis
in
das
Rofental
wohl
für
längere
Zeit
der
Vergangenheit
an.
Die
guten
Akkumulationsbedingungen
in
den
1960er
und
1970er-Jahren
verdankte
der
Vernagtferner
hauptsächlich
den
damals
kühleren
Sommern.
Was
den
Schneeniederschläge
betrifft,
so
gilt
zu
bedenken,
dass
diese
in
kalten
Wintern
eher
geringer
sind
als
in
wärmeren.
Hier
sind
vor
allem
die
Bedingungen
im Frühjahr bedeutsam.
Abb.
6:
Linearer
Zusammenhang
zwischen
der
lokalen
Jahresmitteltemperatur
gemäß
der
Rekonstruktion in Abbildung 4 und der Masse des Vernagtferners
Der
lineare
Zusammenhang
zwischen
der
lokalen
Temperatur
und
der
Masse
des
Vernagtferners
ist
mit
der
Rekonstruktion
mit
Hilfe
der
Extrapolation
der
Messreihe
des
Observatoriums
des
Hohenpeissenberg
mit
Berücksichtigung
des
Gletschereinflusses
vor
allem
für
die
Zeit
unmittelbar
nach
1850
etwas
enger
geworden.
Im
Bereich
des
Vernagtferners
nahm
demnach
innerhalb
von
220
Jahren
die
Jahresmitteltemperatur
um
6
Grad
zu.
Ähnlich
sind
die
Verhältnisse
im
Sommer.
Eine
Witterung
mit
einer
im
Mittel
5°C
bis
6°C
kälteren
Durchschnittstemperatur
ist
aus
heutiger
Sicht
nur
schwer
vorstellbar.
Die
ab
1860
einsetzende
wärmere
Phase
dürfte
aber
der
aufstrebenden
Entwicklung des Alpinismus in der Region dienlich gewesen sein.
Der
Beziehung
ist
zudem
zu
entnehmen,
dass
die
Schätzung
der
Eismasse
des
Vernagtferners
zu
seinem
Höchststand
1848
mit
900
Mio
Tonnen
etwas
zu
hoch
angenommen
wird.
Sie
liegt
demnach
eher
bei
750
Millionen
Tonnen,
was
auch
daran
liegen
könnte,
dass
die
Dichte
des
Eises
als
zu
hoch
angenommen
wird.
Historische
Abbildungen
zeigen,
dass
die
Oberfläche
der
vorstoßenden
Gletscherzunge
infolge
der
auf
sie
einwirkenden
Kräfte
extrem
spaltig
und
zerrissen
war.
Dies
spricht
für
einen
hohen
Luftgehalt
des
Eiskörpers.
Zu
diesen
dynamischen
Prozessen des Gletschers mehr im nachfolgenden Abschnitt.
Wie passt sich ein Gletscher an das Klima an?
Generell
erfolgt
die
Anpassung
eines
Gletschers
an
die
klimatischen
Randbedingungen,
indem
sich
seine
Masse
verändert
und
ein
neues
Gleichgewicht
anstrebt.
In
der
Folge
verändert
sich
auch
seine
Form
und
Fläche.
Eine
Abnahme
der
Masse
erfolgt
in
erster
Linie
durch
die
Schmelze
an
der
Oberfläche.
Diese
findet
überall
dort
statt,
wo
die
Taupunkttemperatur
über
dem
Gefrierpunkt
liegt.
Es
muss
folglich
nicht
nur
die
Lufttemperatur
positive
Werte
annehmen,
sondern
auch
die
Luftfeuchte
möglichst
hoch
sein.
In
den
Wintermonaten
(Dezember
bis
Februar)
und
im
Frühjahr
(März
bis
Mai)
ist
die
Lufttemperatur
bereits
auf
dem
Höhenniveau
an
der
Klimastation
Vernagtbach
im
Mittel
negativ,
es
kommt
daher
in
den
Bereichen
oberhalb
davon
wegen
der
Temperaturabnahme
mit
der
Höhe
nicht
zur
Schmelze.
In
den
Sommermonaten
Juni
bis
August,
teilweise
noch
im
September
treten
auch
in
den
höchsten
Lagen
des
Gletschers
Temperaturen
deutlich
über
dem
Gefrierpunkt
auf.
Dabei
schmilzt
unterhalb
der
Höhe
der
sogenannten
Gleichgewichtslinie
(ELA=
Equilibrium
Line
Altitude)
zunächst
der
im
Winter
akkumulierte
Schnee
vollständig
ab,
anschließend
auch
die
dort
vorhandenen
Eisreserve.
Die
Schmelzraten
sind
dabei
in
den
tiefst
gelegenen
Bereichen
der
Gletscherzunge
am
größten,
während
die
Mächtigkeit
des
Eises
zur
Zungenfront
hin
abnimmt.
Überschreiten
die
Schmelzbeträge
über
den
Sommer
die
dort
noch
vorhandene
Eismächtigkeit,
wird
der
Untergrund
freigelegt
und
damit
die
Fläche
des
Gletschers
vom
unteren
Rand
her
verkleinert.
In
der
Folge
verlagert
sich
die
Gletscherfront
zurück
in
höher
gelegene
Bereiche
mit
geringeren
Schmelzraten.
Mit
der
Verkleinerung
der
Fläche
nehmen
wiederum
auch
die
absoluten
Eisverluste
ab,
die
in
den
tiefsten
Lagen
maximal
waren.
Verluste
wie
im
Jahr
2003,
als
der
Vernagtferner
über
10%
seiner
Masse
innerhalb
eines
einzigen
Haushaltsjahres
verloren
hatte,
sind
zukünftig
nicht
mehr
zu
erwarten,
da
die
tiefgelegenen
Bereiche,
in
denen
damals
über
5
m
Eis
in
einem
Sommer
abschmolz,
heute
nicht
mehr
existieren.
Durch
die
Verkleinerung
der
Flächenanteile
in
den
tiefsten
Lagen
versucht
der
Gletscher
folglich
die
Verluste
zu
verkleinern
und seine Masse unter den aktuellen klimatischen Randbedingungen zu erhalten.
Während
Massenverluste
durch
die
kleiner
werdende
Fläche
unmittelbar
sichtbar
werden,
ist
das
bei
Massengewinnen
zunächst
nicht
der
Fall.
Diese
resultieren
unmittelbar
aus
den
Einträgen
von
Schnee
an
der
aktuellen
Gletscheroberfläche.
Im
Gletschervorfeld
liegen
gebliebener
Schnee
kommt
dagegen
dem
Gletscher
nicht
zugute.
Nach
einem
mehrjährigen
Prozess
der
Umwandlung
von
an
der
Oberfläche
nicht
geschmolzenem
Schnee
in
Gletschereis
nimmt
örtlich
die
Mächtigkeit
des
Eiskörpers
und
somit
auch
die
Gesamtmasse
zwar
zu,
die
Fläche
des
Gletschers
bleibt
dabei
jedoch
zunächst
unverändert
oder
nimmt
sogar
weiter
ab,
sofern
Teile
der
Gletscherfront
durch
die
tiefe
Lage
weiterhin
abschmelzen.
Daraus
ergibt
sich
die
einfache
Regel,
dass
kleine
Gletscher
unabhängig
von
der
Witterung
innerhalb
eines
Haushaltsjahres
nur
geringe
Massengewinne
verbuchen,
große
Gletscher
dagegen
unter
günstigen
klimatischen
Bedingungen
(warme
Winter
mit
viel
Schnee
und
feuchte
kühle
Sommer,
eine
tief
gelegene
Gleichgewichtslinie)
innerhalb
weniger
Jahre
gewaltig
an
Masse
zunehmen
können.
Dies
war
eine
der
wesentlichen
Voraussetzungen
für
die
gegen
Ende
der
Kleinen
Eiszeit
vor
1850
beobachteten
Maximalstände
der
Gletscher.
Dagegen
müssten
gegenwärtig
solche
gletschergünstige
Bedingungen
über
mehrere
Jahrzehnte,
wenn
nicht
sogar
Jahrhunderte
andauern,
um
die
Ausdehnung
der
Gletscherflächen
wie
im
19.
Jahrhundert
wieder
herzustellen.
Dies
verdeutlicht
den
herausragenden
Unterschied der klimatischen Verhältnisse während der kleinen Eiszeit gegenüber den heutigen.
Dennoch
wurde
in
der
Vergangenheit
häufig
von
Gletschervorstößen
in
kühleren
Zeiträumen
berichtet.
Damit
war
ein
Vorrücken
der
Gletscherfront
ins
Tal
mit
einer
deutlichen
Verlängerung
der
Gletscherzunge
gemeint.
Ein
derartiges
Verhalten
erfolgt
nur
auf
Grund
einer
sehr
ausgeprägten
Eisbewegung
oder
besser
Eisdynamik.
Die
historischen
Bilddokumente
belegen,
dass
der
Vernagtferner
sein
Erscheinungsbild
im
Laufe
der
Zeit
häufig
gewechselt
hat.
Im
Anschluss
von
Zeiten
mit
Massenzuwachs
zeigte
sich
die
Eisoberfläche
wild
und
zerrissen,
die
Zungenfront
steil
aufgetürmt.
In
den
deutlich
längeren
Perioden
des
Rückschmelzens
dagegen
wirkt
der
Gletscher
meist
glatt
und
harmlos
mit
einer
flach
auslaufemden
Zunge.
Dieses
sich
wandelnde
Erscheinungsbild
zeugt
von
der
Dynamik
der
sich
ständigen
Anpassung
der
Eisbewegung des Gletschers.
Jedoch
entwickelt
sich
die
Eisdynamik
nach
eigenen
Gesetzen,
die
noch
nicht
vollständig
verstanden
sind.
Generell
werden
an
Gletschern
zwei
unterschiedliche
Bewegungen
beobachtet:
Da
ist
zum
einen
ein
Fließen
des
Eises
innerhalb
des
Eiskörpers
vom
Akkumulationsgebiet
zum
Zehrgebiet
analog
zu
dem
einer
hochviskosen
Flüssigkeit
wie
beispielsweise
Honig,
zum
anderen
kann
der
Eiskörper
als
Ganzes
den
Untergrund entlang gleiten.
Abb.
7:
Schematische
Darstellung
der
Auswirkung
der
talwärts
gerichteten
Fließbewegung
des
Eises mit für den Vernagtferner typischen Werten gegen Ende des 20. Jahrhunderts
Wie
bereits
erwähnt,
sind
für
den
Massenzuwachs
besonders
die
Verhältnisse
im
Sommer
von
Bedeutung,
und
da
insbesondere
die
Lage
der
Frostgrenze.
Abbildung
5
zeigt
daher
die
Temperatur-
entwicklung
an
der
Position
der
Klimastation
Vernagtbach
in
den
Sommermonaten
Juni,
Juli
und
August.
Während
gegenwärtig
die
Temperatur
an
der
Klimastation
Vernagtbach
über
7°C
beträgt,
war
sie
dort
vor
1845
nahe
dem
Gefrierpunkt.
Damit
konnte
der
Gletscher
jährlich
bis
zu
12
Millionen
Tonnen
Eis
gewinnen.
Dies
entspricht
den
weiter
oben
genannten
Anforderungen.
Ab
1860
lag
die
Frostgrenze
im
Sommer
bei
ca.
3000
m,
wodurch
die
Akkumulationsbeträge
deutlich
reduziert
wurden.
Damit
gehörte
ein
Vorstoß
der
Gletscherzunge
bis
in
das
Rofental
wohl
für
längere
Zeit
der
Vergangenheit
an.
Die
guten
Akkumulationsbedingungen
in
den
1960er
und
1970er-Jahren
verdankte
der
Vernagtferner
hauptsächlich
den
damals
kühleren
Sommern.
Was
den
Schneeniederschläge
betrifft,
so
gilt
zu
bedenken,
dass
diese
in
kalten
Wintern
eher
geringer
sind
als
in
wärmeren.
Hier
sind
vor
allem die Bedingungen im Frühjahr bedeutsam.
Das
Fließen
des
Eises
führt
zu
einer
Deformation
des
Eiskörpers
(Abbildung
7).
Das
abfließende
Eis
im
Bereich
des
Akkumulationsgebietes
erzeugt
dort
ein
Einsinken
der
Oberfläche
des
Eiskörpers.
Diese
Abwärtskomponente
(Submergenz)
wirkt
der
Hebung
durch
die
Akkumulation
an
der
Oberfläche
entgegen.
Im
Zehrgebiet
wird
die
Bewegung
der
aus
dem
Akkumulationsgebiet
zufließenden
Eismasse
am
Untergrund
und
durch
das
Aufschieben
von
Endmoränen
gebremst.
Aus
Kontinuitätsgründen
wird
der
Eiskörper
im
Bereich
des
Ablationsgebietes
dicker,
es
kommt
an
der
Oberfläche
zu
einer
Hebung
(Emergenz),
die
der
Ablation
entgegen
wirkt.
Ist
die
Hebung
an
der
Zungenfront
größer
als
der
dortige
Verlust
durch
die
Eisschmelze,
dann
bewegt
sich
die
Gletscherzunge
scheinbar
vorwärts,
es
kommt
zum
Vorstoß
mit
einer
Vergrößerung
der
Gletscherfläche.
Überwiegt
jedoch
die
Ablation,
schmilzt
die
Zunge
zurück,
aber
wesentlich
langsamer
als
ohne
Eisbewegung.
Dass
die
beschriebenen
Prozesse
auch
am
Vernagtferner
relevant
sind,
zeigt
die
Abbildung
8.
Hier
wurden
aus
dem
Vergleich
der
zwischen
1999
und
2006
nach
der
glaziologischen
Methode
bestimmten
Höhenänderungen
der
Oberfläche
in
Abhängigkeit
von
der
Höhenlage
mit
den
tatsächlichen
Höhenänderungen
aus
der
Differenz
von
geodätisch
bestimmten
digitalen
Höhenmodellen
die
jeweiligen
Beträge
der
durch
die
Eisdynamik
hervorgerufene
Emergenz
(Hebung)
im
Ablationsgebiet
und
die
Submergenz
(Einsinken)
im
Akkumulationsgebiet
oberhalb
der
mittleren
Gleichgewichtslinie
knapp
unterhalb
von
3300
m
ermittelt.
Zur
besseren
Vergleichbarkeit
werden
alle
Höhenänderungen
der
Schnee-
und
Eisdecke
in
die
Einheit
des
Wasserwertes
(WW)
umgerechnet,
welcher
der
Höhe
der
Wassersäule
nach
dessen
Schmelze
entspricht.
Danach
ergab
sich
an
der
Zungenfront
eine
Hebung
von
1.9
m
WW
pro
Jahr
durch
die
herangeführte
Eismasse,
während
dort
gleichzeitig
bis
zu
4.7
m
Eis
durch
Energieabsorption
an
der
Oberfläche
im
Jahr
abschmolzen.
Damit
betrug
die
tatsächliche
Ablation
dank
dem
mit
der
Eisbewegung
herangeführten
Eis
an
der
Zungenfront
im
Mittel
nur
etwa
2.9
m
WW
pro
Jahr.
Als
Ausgleich
wurde
der
Gletscher
im
Akkumulationsgebiet
durch
das
abfließende
Eis
um
bis
zu
60
cm
pro
Jahr
dünner.
Dadurch
verliert
der
Gletscher
nicht
nur
in
den
tieferen
Bereichen
an
Masse,
sondern
auch
dort,
wo
er
eigentlich
formal
Gewinne
verbuchen
könnte.
In
der
Gesamtbilanz
verliert
er
wegen
der
Eisdynamik
mehr
Masse
als
ohne
diese,
da
das
Eis
in
tiefere
Lagen
verfrachtet
wird,
wo
wegen
der
dort
herrschenden
höheren
Temperaturen
mehr
davon
schmelzen
kann.
Das
Abfließen
von
Eis
ist
somit
eine
wesentliche
Ursache
dafür,
dass
auch
in
den
Bereichen,
die
heute
noch
oberhalb der klimatischen Frostgrenze liegen und daher von der Schmelze weitgehend verschont bleiben, ebenfalls Massenverluste auftreten.
Abb.
8:
Mittlere
Höhenänderung
der
Oberfläche
des
Vernagtferners
zwischen
1999
und
2006
in
Abhängigkeit
von
der
Seehöhe.
Angaben
einheitlich
in
m
WW
(Wasserwert),
positive
Werte
stehen
für
Bewegung
nach
oben,
negative
für
Bewegung
nach
unten.
In
Blau
die
scheinbare
Höhenänderung
b
auf
Grund
der
aufsummierten
örtlichen
der
Massenbilanz,
in
Grün
die
tatsächlichen
geodätisch
bestimmten
Höhenänderungen
h
und
in
Rot
die
Emergenz
(positive
Werte)
oder
Submergenz
(negative
Werte)
aus
der
Differenz
e(z)
=
(b(z)
–h(z)).
(
Marowsky,
2010
).
Die
zuvor
beschriebenen
Prozesse
verstärken
zwar
in
Schmelzperioden
die
Ablation,
sie
genügen
aber
in
der
Regel
nicht,
um
die
Gletscherfläche
nennenswert
zu
expandieren.
Dazu
muss
sich
der
Eiskörper
des
Gletschers
als
Ganzes
vergleichsweise
schnell
vorwärts
bewegen,
also
quasi
auf
dem
Untergrund
ins
Tal
gleiten.
Dabei
vergrößert
sich
das
Volumen
des
Gletschers
ähnlich
dem
Blasebalg
einer
Ziehharmonika,
nur
werden
statt
Falten
tiefe
Gletscherspalten
gebildet.
Diese
bilden
sich
in
besonderem
Maße
über
Heterogenitäten
im
Gletscherbett,
wie
beispielsweise
an
steilen
Felsstufen
(Abb.
7).
Für
den
Vernagtferner
verdeutlicht
sich
dieser
Vorgang
heute
im
direkten
Vergleich
von
historischen
Bildern
mit
modernen
Aufnahmen
vom
selben
Standort,
in
denen
das
Gletscherbett
durch
das
Rückschmelzen
der
Gletscherzunge
freigelegt
ist.
Die
Oberfläche
erscheint
über
den
Geländestufen
in
besonderem Maße zerrissen.
In
der
Regel
setzt
sich
ein
größerer
Gletscher
aus
mehreren
Eisströmen
zusammen,
die
aus
einer
klar
zuordenbaren
Quellregion
im
Akkumulationsgebiet
gespeist
werden
und
sich
entweder
zu
einer
großen
Gletscherzunge
vereinigen
oder
aber
auch
mehrere
Teilzungen
ausbilden
können.
Die
seitlichen
Begrenzungen
der
Teilströme
können
anhand
der
dunklen
Zonen
der
sich
dort
ausbildende
Moränen
identifiziert
werden.
Der
Vernagtferner
der
1980er-Jahre
konnte
von
West
nach
Ost
in
vier
große
Eisströme
aufgeteilt
werden,
die
ihre
Quellgebiete
im
Kar
unterhalb
der
Schwarzwandspitze
(SW),
dem
Sexenjoch
(SJ),
dem
Taschachjoch
(TJ)
und
dem
Brochkogelkar
(BK)
haben
(Abbildung
9).
Jeder
dieser
Ströme
hat
individuelle
Fließlinien
und
auch
Fließgeschwindigkeiten
und
läuft
nach
dem
Zurückschmelzen
in
klar
zuordenbaren
Zungenfronten
aus.
Im
Verlauf
des
Rückschmelzens
des
Gletschers
kommt
es
zunehmend
zu
einer
Aufspaltung
der
einzelnen
Eisströme, die dadurch zu eigenständigen Teilgletschern werden.
Am
Vernagtferner
hat
sich
um
2005
der
Schwarzwandstrom
vom
restlichen
Gletscher
abgetrennt,
wodurch
das
Rückschmelzen
der
Schwarzwandzunge
weiter
beschleunigt
wurde.
Seit
2010
spaltet
sich
der
Sexenjochstrom
zunehmend
vom
östlich
davon
gelegenen
Taschachjochstrom
ab.
Die
ist
nicht
zuletzt
eine
Folge
des
Rückgangs
des
Eiszuflusses
von
dem
hochgelegenen
Hochvernagtplateaus.
Von
dort
ist
der
westliche
Strom
bereits
vollständig
vom
Sexenjochstrom
getrennt,
wodurch
ein
fünfter
eigenständiger
Gletscherteil
entstanden
ist.
In
ähnlicher
Weise
beginnt
seit
2016
eine
immer
länger
werdende
Felsschwelle
den
Brochkogelstrom
vom
Taschachjochstrom
abzuteilen.
Diese
Zerteilung
Abb.
9:
Die
vier
großen
Eisströme
des
Vernagtferners
Mitte
der
1980er-Jahre,
benannt
nach
ihren
Hauptquellregionen
Schwarzwand,
Sexenjoch,
Taschachjoch
und
Brochkogel
gemäß
Moser
et
al.,
1986.
Als
Abgrenzung
dienen
Deckmoränen
(Foto:
Markus
Weber,
am
12.9.1985).
des
Gletschers
führt
letztlich
dazu,
dass
in
der
Rückschmelzphase
die
Zahl
der
eigenständigen
Gletscher
zunächst
zunimmt
und
nicht
ab.
Gegenwärtig
hat
sich
der
Vernagtferner
in
drei
eigenständige
Gletscher
aufgeteilt,
die
zusammen
nur
noch
einen
Bruchteil
der
ursprünglichen Fläche einnehmen. Bald könnten es deren vier sein.
Eine
wichtige
Voraussetzung
für
das
basale
Gleiten
ist
das
Vorhandensein
von
genügend
Schmelzwasser
an
der
Unterseite
des
Gletschers,
um
einen
ausreichenden
Druck
zum
Anheben
der
Eismasse
aufzubauen.
Weiterhin
spielen
die
Dicke
des
Eiskörpers
und
die
Neigung
und
Beschaffenheit
des
Gletscherbettes
eine
wichtige
Rolle.
Oft
müssen
unter
Umständen
dort
auf
dem
Fließweg
regelrechte
Hindernisse
überwunden
werden.
Unter
günstigen
Bedingungen
kann
die
Eisbewegung
mittels
basalem
Gleiten
von
wenigen
mm
pro
Tag
auf
mehr
als
einen
Meter
pro
Tag
beschleunigt
werden.
Damit
ist
in
jedem
Fall
ein
sichtbarer
Gletschervorstoß
verbunden.
Durch
die
gewaltigen
Kräfte
an
der
Unterseite
des
Gletschers
wird
der
Untergrund
stark
deformiert
und
Sedimente
abgelagert
bzw.
mit
der
Bewegung
verfrachtet.
Dabei
werden
an
der
Seite
gewaltige
Moränen
aufgeschichtet,
die
nach
dem
Rückschmelzen
als
Zeugen
der
ursprünglichen
Ausdehnung
der
Eismasse
übrigbleiben.
Auch
im
Bereich
der
Gletscherfront
werden
durch
den
Vorstoß
unauffälligere
Moränen
aufgeschoben,
die
nach
dem
Stillstand
des
Vorstoßes
die
Grenze
der
maximalen
Ausdehnung
markieren.
Dadurch
können
frühere
Hochstände
überdeckt
werden,
so
dass
man nur noch die Vorstöße erkennen kann, die innerhalb des letzten Maximalstands liegen.
Massengewinne
zusammen
mit
der
Bewegung
des
Eises,
insbesondere
der
Gleitbewegung
über
den
Untergrund
sind
also
notwendige
Voraussetzungen,
damit
ein
Gletscher
wachsen
kann.
In
Zeiträumen,
in
denen
günstige
klimatische
Bedingungen
für
Massengewinne
herrschen,
ist
es
jedoch
in
der
Regel
so
kalt,
dass
das
Eis
über
große
Bereiche
der
Gletscherfläche
am
Felsgrund
festgefroren
ist
und
damit
jegliche
Gleitbewegung
praktisch
unterbunden
ist.
Die
Auswirkung
zeigt
sich
beispielsweise
am
sogenannten
Bergschrund
oder
Randkluft,
einer
tiefen
Spalte
im
Bereich
des
oberen
Gletscherrands,
die
das
in
der
kalten
Höhe
am
Fels
festgefrorene
Eis
von
dem
abgleitenden
Eiskörper
trennt.
Außerdem
ist
kaltes
Eis
erheblich
viskoser.
In
der
Folge
ist
ein
Gletschervorstoß
in
klimatisch
kalten
Phasen
stark
gehemmt,
meist
sogar
unterbunden.
Der
Gletscher
nimmt
in
dieser
Zeit
lediglich
an
Dicke
zu.
Erst
bei
wieder
wärmeren
Klimabedingungen,
wenn
auch
genügend
Schmelzwasser
entsteht
und
das
Eis
bei
höheren
Temperaturen
bessere
Fließeigenschaften
besitzt,
kommt
die
Eisbewegung
in
Gang
und
der
Vorstoß
als
Reaktion
auf
den
vorangegangenen
Massenzuwachs
wird
sichtbar.
Im
Gegensatz
zum
Gletscherrückgang,
der
weitestgehend
synchron
mit
der
Klimaerwärmung
abläuft,
erfolgt
der
Gletschervorstoß
deshalb
häufig
mehr
oder
weniger
verzögert
auf
eine
Wachstumsperiode.
Diese
Beobachtung
führt
dann
gelegentlich
zu
der
verzerrten
Wahrnehmung,
dass
Gletscher
gegen
den
Erwärmungstrend
wachsen
würden.
Dabei
wird
durch
diesen
die
für
den
Vorstoß
notwendige
ausgeprägte
Eisdynamik
erst
angefacht.
Selbst
in
der
kleinen
Eiszeit
dauerte
die
Kaltphase
nicht
ununterbrochen
über
Jahrzehnte,
sondern
wurde
immer
durch
wärmere
Jahre
unterbrochen,
in
denen
die
Gletscher
wieder
vorstießen.
Auf
die
letzte
Periode
mit
positiven
Massenhaushalten
in
den
1960er-
und
1970er-Jahren
begannen
die
Alpengletscher
beispielsweise
während
der
ersten
Hälfte
der
1980er-Jahre
im
gesamten
Alpenraum
vorzustoßen,
als
der
Erwärmungstrend
erneut einsetzte.
Auch
am
Vernagtferner
setzen
sich
damals
alle
vier
Eisströme
in
unterschiedlicher
Weise
relativ
spektakulär
talwärts
in
Bewegung.
Der
Schwarzwandstrom
schob
seine
Front
in
die
Talmitte,
der
Sexenjochstrom
schob
sich
gar
über
die
Schwarzwandzunge
und
bildete
dort
das
als
„Vernagtzehe“
bezeichnete
Eisgebilde.
Der
Taschachjochstrom
dagegen
überfuhr
zur
Hälfte
die
in
den
1960er
und
1970er-Jahren
freigelegte
östliche
Felsschwelle
und
bildete
dort
eine
markante
bis
zu
30
m
hohe
Eiswand,
aus
der
sich
Seracs
lösten
und
über
die
Felsen
stürzten.
Der
Brochkogelstrom
dagegen
verlängerte
nur
geringfügig
die
unterhalb
des
Schwarzkögele
liegende
gleichnamige
Gletscherzunge.
Bereits
nach
wenigen
Jahren
überwog
jedoch
wieder
die
Ablation
an
allen
Zungen,
so
dass
sie
wieder
zurückschmolzen.
Um
die
Jahrtausendwende
waren
sämtliche Spuren des Vorstoßes bis auf ein paar unauffällige flache Endmoränen wieder verschwunden.
Dennoch
brachte
der
Vorstoß
eine
kaum
nennenswerte
Vergrößerung
der
Gletscherfläche.
Das
war
allerdings
auch
nach
dem
wesentlich
markanteren
Vorstoß
um
1900
der
Fall.
Die
Abbildung
10
zeigt
die
Veränderung
der
Gletscherfläche
und
der
Masse
seit
1845,
wobei
detaillierte
Messungen
erst
seit
1889
verfügbar
sind.
Die
Flächenveränderungen
zu
Beginn
des
20.
Jahrhundert
sind
der
detaillierten
Analyse
der
verfügbaren
Fotographien
von
Blümcke
und
Hess
durch
Lindmayer
(2015)
entnommen.
Der
Graphik
kann
entnommen
werden,
dass
sich
die
Gletscherfläche
während
der
Wachstumsphase
in
den
1960er
und
1970er-Jahren
praktisch
nicht
verändert
hat.
Das
wird
in
der
Realität
auch in dem Jahrzehnt vor 1897 so gewesen sein.
Dennoch
waren
die
Umverteilungen
an
Eismasse
im
20.
Jahrhundert
im
Verhältnis
zu
den
Verlusten
relativ
unbedeutend.
Das
resultiert
auch
aus
der
Tatsache,
dass
die
in
der
Gletscherzunge
gebundene
Masse
nur
einen
Bruchteil
der
Gesamtmasse
des
Gletschers
ausmacht.
Selbst
nach
dem
Vorstoß
zwischen
1897
und
1901
machte
die
in
der
Gletscherzunge
gebundene
Masse
nur
etwa
7%
der
Gesamtmasse
des
Gletschers
von
ca.
600
Mio
Tonnen
aus,
während
des
Vorstoßes
wurden
gerade
einmal
15
Mio
Tonnen
oder
2.5%
der
Gesamtmasse
umverteilt.
Das
ist
in
etwa
die
Hälfte
des
gegenwärtigen
jährlichen
Netto-Massenverlustes.
Zwischen
1980
und
1986
wurde
nur
etwa
die
Hälfte
in
die
Zungen
verfrachtet,
gut
die
Hälfte
davon
in
die
damals
in
die
damals
mächtigere
Schwarzwandzunge.
Seit
dem
letzten
Höchststand
in
der
Mitte
des
19.
Jahrhunderts
hat
der
Vernagtferner
unter
den
dort
herrschenden
Klimabedingungen
keine
nennenswerte
Massengewinne
zu
verzeichnen
und
seine
Fläche
kontinuierlich
verkleinert.
Deshalb
können
auch
die
relativ
gut
korrelierten linearen Beziehungen zwischen Gletschermasse und dem
Abb.
10:
Die
Veränderung
der
Fläche
und
der
Masse
des
Vernagtferners
seit
dem
letzten
Höchststand
1845
auf
der
Basis
der
verfügbaren
geodätischen
Vermessungen.
Gestrichelt
eine Fortschreibung des Trends bis zum vollständigen Abschmelzen des Gletschers.
Der Vernagtferner, ein galoppierender Gletscher?
globalen
und
regionalen
Klima
abgeleitet
werden.
Mit
derabnehmenden
Fläche
werden
die
Bedingungen
für
Gletscherwachstum
zunehmend
ungünstiger,
denn
es
kann
auch
im
Falle
einer
für
die
Schneeakkumulation
günstigen
Witterung
absolut
nur
wenig
Masse
akkumuliert
werden.
Möglicherweise
gibt
es
einen
Schwellenwert
sowohl
des
Gletschers
als
auch
der
Klimaparameter,
ab
denen
sich
der
Gletscher
nicht
mehr regenerieren kann. Aber dazu und auch zu den gepunkteten Linien in der Abbildung 10 mehr in den nachfolgenden Abschnitten.
Während
der
sogenannten
„Kleinen
Eiszeit“
(ca.
1300
–
1850)
müssen
die
Bedingungen
über
mehrere
hundert
Jahre
dagegen
völlig
anders
gewesen
sein.
Der
Vernagtferner
konnte
damals
eine
Eismasse
akkumulieren,
die
gut
das
8fache
der
heute
noch
verbliebenen
umfasste.
Dabei
wurde
er
nicht
nur
durch
das
kühle
und
feuchte
Klima
unterstützt,
sondern
auch
durch
seine
schiere
Größe.
Das
war
natürlich
kein
Alleinstellungsmal
des
Vernagtferners,
sondern
konnte
gleichzeitig
an
allen
Alpengletscher
beobachtet
werden,
so
dass
die
Region
des
Ötztals
in
dieser
Zeit
eine
bemerkenswerte
Gletscherbedeckung
aufwies.
Leider
sind
jedoch
die
bekannten
Fakten
zu
den
Prozessen,
die
dazu
führten
relativ
dürftig.
Vertrauenswürdige
instrumentelle
Beobachtungen
liegen
erst
seit
Beginn
des
19.
Jahrhunderts
vor,
Messungen
am
Gletscher
selbst
gar
erst
seit
1889.
Fakt
ist
jedoch,
dass
der
Vernagtferner
im
Verlauf
des
kühler
werdenden
Klimas
in
den
ersten
300
Jahren
der
Kleinen
Eiszeit
eine
Größe
erreichen
konnte,
auf
Grund
derer
die
Eisströme
des
Vernagt-
und
des
Guslarferners
gegen
Ende
des
17.
Jahrhunderts
sich
vereinigen
und
zusammen
bis
in
das
Rofental
vorstoßen
konnten.
Dies
geschah
innerhalb
weniger
Jahre,
so
dass
man
den
Vorgang als galoppierend (engl. Surge) bezeichnen konnte. Dazu jedoch mehr im nachfolgenden Abschnitt.
Aus
dieser
Tatsache
folgt
aber,
dass
die
Bedingung
im
der
ersten
Hälfte
der
kleinen
Eiszeit
über
einen
langen
Zeitraum
„gletscherfreundlich“
gewesen
sein
müssen,
eine
längere
Periode
mit
feuchten
und
kühlen
Sommern
wurde
zumindest
kurzzeitig
immer
wieder
durch
wärmere
Jahre
unterbrochen,
während
denen
der
Gletscher
seine
Masse
umverteilen
und
an
Fläche
zunehmen
konnte.
Wir
wissen
nicht
wirklich,
wie
die
Ausgangslage
am
Ende
des
mittelalterlichen
Wärmeoptimums
war,
denn
niemand
hatte
damals
die
Größe
der
Gletscher
vermessen.
Es
gibt
durchaus
nicht
generell
zu
widerlegende
Thesen
von
Wissenschaftlern
der
Paläoklimatologie,
welche
auf
der
Grundlage
von
Klimazeugen
(Proxydaten)
von
einer
damals
gegenüber
der
gegenwärtigen
sogar
kleineren
Gletscherfläche
ausgehen.
Dies
wäre
allerdings
kein
wirklicher
Widerspruch
gegen
die
These
des
anthropogen
verursachten
Klimawandels,
der
seine
volle
Wirkung
erst
in
der
Gegenwart
zu
entfalten
beginnt,
wenn
auch
der
Fund
der
in
der
unmittelbaren
Nachbarschaft
des
Vernagtferners
bereits
vor
30
Jahren
freigelegte
Eismumie
„Ötzi“
zumindest
innerhalb
der
letzten
5000
Jahre
dagegen
spricht.
Es
deutet
sich
jedoch
an,
dass
der
Rückgang
des
Vernagtferners
synchron
einem
bereits
schwach
positiven
Klimasignal
folgt,
ein
Gletschervorstoß
dagegen
erst
in
Schüben
als
Reaktion
auf
eine
längere
Periode
mit
einem
merklich
kühleren
Klima
reagiert.
In
der
Messtechnik
würde
man
schließen,
dass
das
„Thermometer
Gletscher“
eine
Hysterese
aufweist.